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Vom TG ins Top-Management Martina Merz

Martina Merz

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Als junges Mädchen machte sie in Schwenningen ihr Abitur. Heute ist sie im Top-Management und wird bald ThyssenKrupp-Chefaufseherin. Von Ralf Trautwein

Die staatliche Feintechnikschule (FTS) in Schwenningen ist mit ihrem Technischen Gymnasium seit eh und je ein Karrieresprungbrett. Viele ihrer Absolventen sitzen heute auf gut gepolsterten Chefsesseln mittelständischer Betriebe. Doch manche TG-Absolventen können auch auf sehr ungewöhnliche Karrieren zurückblicken. Wie etwa Thomas Ettwein, der hier früher die Schulbank drückte und die FTS heute als Direktor leitet. Oder seine ehemalige Klassenkameradin Martina Merz, die in der deutschen Wirtschaft eine ganz große Nummer geworden ist und demnächst Aufsichtsratsvorsitzende beim Stahlkonzern ThyssenKrupp werden soll. Damit wäre sie erst die zweite Frau an der Spitze eines Dax-Unternehmens. Der Termin für die Berufung der 55- Jährigen steht schon – bei der Hauptversammlung der Aktionäre am 1. Februar wird es soweit sein. Mission Impossible? „Sie hat sich nie bremsen lassen“, schrieb die Stuttgarter Zeitung über Merz, als sie noch für den Bosch-Konzern Autoteile verkaufte. Das scheint die erfolgreiche Schwenningerin nun bestätigen zu wollen, denn ein Spaziergang verspricht das neue, lukrative Engagement keineswegs zu werden: „Eine Frau für die Mission Impossible an der Ruhr“, titelte das Manager Magazin. Tatsächlich steht Thyssenkrupp (Essen) vor einem radikalen Umbau, und bevor man Merz als „Chefaufseherin“ ins Visier genommen hat, winkten eine ganze Reihe Spitzenmanager dankend ab – unter ihnen Promis wie Ex-Telekom-Chef Rene Obermann, Airbus-Chef Tom Enders und Ex-Bayer-Chef Marijn Dekkers. Favoritin der Investoren Die FTS-Absolventin Martina Merz gilt als Favoritin der Finanzinvestoren, die zunehmenden Einfluss im Konzern ausüben (siehe auch Infokasten „Situation im Konzern“). Erst Anfang Dezember wurde Merz auf Betreiben des schwedischen Großaktionärs Cevian in den Aufsichtsrat berufen. Die Großaktionäre wollen eine unabhängige Person an der Aufsichtsratsspitze, und die meinen sie in der hauptberuflichen Aufsichtsrätin mit inzwischen sechs Mandaten gefunden zu haben. Tatsächlich sitzt Merz nicht nur beim Stahlriesen Thyssen- Krupp im Kontrollgremium, sondern auch noch bei Volvo, der Lufthansa, beim belgischen Stahldrahtspezialisten Bekaert und dem französischen Baustoffhersteller Imerys. Beim unterfränkischen Lkw-Zulieferer SAF Holland ist sie sogar Aufsichtsratsvorsitzende. Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass sie sich von einem oder mehreren dieser Mandate trennen dürfte, wenn Merz erst mal bei ThyssenKrupp an der Spitze steht. Denn einen Konzern von dieser Größe und Komplexität zu führen ist extrem anspruchsvoll. In offiziellen Dossiers beginnt Merzens Vita in der Regel erst mit dem Maschinenbaustudium an der Berufsakademie Stuttgart. Danach machte sie Karriere bei Bosch, wurde 2001 Chefin der Robert Bosch Schließsysteme GmbH und einige Jahre darauf CEO der Division Basisbremsen. Beide Unternehmensbereiche wurden unter ihrer Führung verkauft; beide Male ging sie als Chefin mit. Sie kann rustikal werden Der Wirtschaftspresse zufolge besteht kein Zweifel daran, dass die ehemalige Schwenningerin über die nötige Bisskraft verfügt, um sich im Haifischbecken des Top-Managements durchzusetzen. „Ich lasse es gerne auch mal krachen, und ich kann auch rustikal werden“, wird sie zitiert. Dass Martina Merz eines Tages dahin gelangen würde, wo die Luft ganz dünn ist, war jedoch nicht unbedingt abzusehen. Das Mädchen aus Durchhausen hatte ein eher mittelprächtiges Realschulzeugnis, aber einen Mitschüler, den es aufs Technische Gymnasium nach Schwenningen zog. Mit ihm fuhr Merz Tag für Tag mit nach Schwenningen, wo sie 1982 Abitur machte; noch im gleichen Jahr begann in Stuttgart die Ausbildung an der Berufsakademie. Schon während ihrer Schulzeit war sie nicht auf den Mund gefallen; war Schulsprecherin der Trossinger Realschule und im TG zumindest Klassensprecherin. Das war ganz sicher eine der Voraussetzungen, um andere zu führen. Bereits 1988 wurde sie Leiterin einer Gruppe in der Planung Elektronikfertigung und damit Vorgesetzte von fünf oder sechs Kollegen, die wesentlich älter waren als sie selbst. Als Frau in einer Männerwelt beobachtete Martina Merz messerscharf und entdeckte schnell, dass es im Führungsverhalten von Männern und Frauen Unterschiede gibt: „Frauen lassen sich sehr stark ein auf die Dinge, sie sind sozialer.“ Junge Mütter identifizierte sie als ideale Führungskräfte: Die seien „kompromisslos und zugleich von großer Zuneigung erfüllt.“ Wobei es für Merz nun grundsätzlich keine Rolle spielt, ob nun ein Mann oder eine Frau ganz vorne steht. Situation im Konzern Der schwedische Großaktionär Cevian hat rund 18 Prozent der Stimmrechte bei ThyssenKrupp. Er ist auch bei Volvo beteiligt und schätzt daher Martina Merz, die auch dort im Aufsichtsrat vertreten ist. Im November stiegen der Staatsfonds von Singapur mit drei Prozent und der USFonds Harris Associates mit fünf Prozent ein. Der Konzern soll in zwei Firmen (Materials und Industrials) aufgeteilt werden, um wieder rentabel zu werden. rat

Quelle: Neckarquelle vom 22.01.2019