Weihnachtsferien
... In einer Serie porträtiert die Stuttgarter Zeitung erfolgreiche Frauen. Darin erzählen sie, wie sie es geschafft haben und welche Widerstände sie zu überwinden hatten.
Sie hat sich nie bremsen lassen
Junge Mütter als Vorbild für Führungskräfte?
So etwas steht in keinem Leitfaden, aber es gehört zum Weltbild der Bosch-Managerin Martina Merz. Denn diese Frauen, so sagt sie, führen kompromisslos, aber auch mit großer Zuneigung.
Bremskraftverstärker, Bremssattel, Bremsscheibe – wer bringt solche klobigen Zubehörteile schon mit zum Gespräch mit einem Journalisten? Wohl nur wenige Manager, auch wenn sie für den Verkauf dieser (über-)lebensnotwendigen, aber nicht besonders attraktiven Autokomponenten zuständig
sind. Martina Merz, die beim weltweit größten Autozulieferer, dem Stuttgarter Bosch-Konzern, genau hierfür verantwortlich ist, sieht das anders. Bremsen sind für sie alles andere als langweilig: „Bremsen sind ein sehr emotionales Produkt. Man glaubt gar nicht, wie verschieden die Ansprüche an Bremsen sind“, sagt sie. In Europa werden zum Beispiel wegen der aggressiveren Fahrweise zupackende Bremsen bevorzugt. In den USA hingegen, wo es außerhalb der Städte gemütlicher auf den Straßen zugeht, sind vor allem weiche Bremsen gefragt. Und die Japaner haben wieder andere Vorlieben.
... Die Diplomingenieurin aus Durchhausen im Kreis Tuttlingen hat es schnell weit gebracht. Bei Bosch, diesem Traditionsunternehmen, das als ebenso technikfixiert
wie männerdominiert gilt, ist sie eine von noch nicht einmal einer Hand voll Frauen, die zum oberen Führungskreis von etwa 250 Direktoren gehört.
... Trotz des Interesses an den Naturwissenschaften, so sagt die Bosch-Managerin, sei aus ihrem Realschulzeugnis keineswegs klar abzulesen gewesen, dass der nächste Schritt zwingend zum Technischen Gymnasium in Villingen-Schwenningen führen musste. Diese Entscheidung traf sie ganz pragmatisch: Damals, in der Realschule in Trossingen, gab es einen Mitschüler, der aufs Technische Gymnasium wollte. Und was hat ihn so interessant gemacht? Er besaß ein eigenes Auto.
So ist Martina Merz Tag für Tag mit nach Villingen-Schwenningen gefahren und hat 1982 Abitur gemacht; noch im gleichen Jahr begann in Stuttgart die Ausbildung an der
Berufsakademie – ihr Arbeitgeber: Bosch.
Welchen Schwerpunkt sie wählen würde, war für die angehende Maschinenbauingenieurin klar: „Ich wollte immer gerne mit vielen und verschiedenen Menschen zu tun haben, deshalb habe ich mich für Fertigungstechnik entschieden.“
... Die erste Führungsaufgabe war die schwierigste
... „Schon in der Schule war ich keineswegs schüchtern.“ Konkret heißt das: in Trossingen Klassen- und Schulsprecherin, in Villingen-Schwenningen Klassensprecherin. Sehr schnell übernahm Martina Merz die erste Führungsaufgabe, und sie räumt unumwunden ein, dass es die schwierigste war. Damals, 1988, wurde sie Leiterin einer Gruppe in der Planung Elektronikfertigung – einer Gruppe, in der sie zuvor schon als Sachbearbeiterin gewesen war. Da ist sie Vorgesetzte von fünf oder sechs Kollegen gewesen, die wesentlich älter waren als sie selbst.
Da hat sie begonnen, ihr Führungsverständnis zu entwickeln, ... Dazu gehörten auch die Jahre bei dem Zulieferer Brose Fahrzeugteile, an den die Managerin sich 2001 mit ihrem damaligen Bosch-Geschäftsbereich Schließsysteme sozusagen selbst verkaufte. Ohne Rückfahrkarte, wie sie betont; denn den anderen etwas zumuten, ohne selbst ein Risiko einzugehen, das geht ihr gegen den Strich. Und es waren harte Zeiten, als die Brose-Geschäftsführerin in Wuppertal die Verantwortung für 750 Mitarbeiter hatte; das Unternehmen baute massiv Personal ab. Ein Lehrsatz aus dieser Zeit lautet: „Schwache Führungskräfte scheuen sich, kritische Themen anzusprechen.“
Wie man es ganz grundsätzlich richtig macht, hat sie bei jungen Müttern beobachtet: „Sie sind die idealen Führungskräfte: kompromisslos und zugleich von großer Zuneigung erfüllt.“ ... Bei vielen Kolleginnen bemängelt sie, dass diese Frauen einfach zu früh den Fuß vom Gas nehmen. Dabei sei Bosch ein Arbeitgeber, der für Eltern sehr viel tue.
Das Thema Frauen in Führungspositionen hält sie für ziemlich überladen. Männer, Frauen – was ist daran so wichtig? Martina Merz: „Der Geschlechtsunterschied spielt
letztlich keine große Rolle.
... Als Managerin in einer Männerwelt weiß Martina Merz natürlich, dass es im Führungsverhalten von Männern und Frauen Unterschiede gibt: „Frauen lassen sich sehr stark
ein auf die Dinge, sie sind sozialer.“ Männliche Profilierung finde vor allem über Differenzierung statt. Bei Frauen zähle mehr das Miteinander: „Wir Frauen führen anders als die Männer – selten über Distanz.“ Ihre – meist männlichen – Geschäftspartner müssen keine übertrieben große Rücksicht nehmen: „Ich lasse es gerne auch mal krachen, und ich kann auch rustikal werden.“ Dazu gehört nicht nur die Mitwirkung bei Fußballspielen, so wie damals in Wuppertal. Wenn es sein muss, geht sie mit einem Feschäftspartner auch ins Cabaret Crazy Horse in Paris – alles schon mal vorgekommen.
Text: Michael Heller/Foto: Bostelmann
Stuttgarter Zeitung
Ausgabe vom 03.01.2007