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Dr. Christian Dräger

Dr. Christian Dräger
besuchte Schulart: 
Berufsfachschule
Abschlußjahr: 
1955
heutiger Beruf: 
Konzernchef i. R.

Wer den schlanken Herrn mit dem intellektuellen Kopf und dem Anorak morgens in Lübeck auf der Straße sah, mochte glauben, ein feinsinniger Kunsthistoriker strebe seinem Arbeitsplatz zu. In Wirklichkeit handelte es sich um den Chef eines Konzerns mit weltweit fast zehntausend Mitarbeitern.

Christian Dräger, Jahrgang 1934, arbeitete von 1961 bis 1997 in der Leitung des Lübecker Drägerwerks, einem führendem Unternehmen der Medizin- und Sicherheitstechnik. Doch ein gehöriger Teil seiner Leidenschaft gehört der Kunst. Als er bemerkt hat, dass seine Frau Gertrud sich aus Schmuck nichts macht, hat er eben begonnen, Kunst zu sammeln. Solche Formulierungen gehören zu jenen Untertreibungen und Versteckspielen, die Dräger liebt. Versteckt hielt der Sammler bis Ende des vergangenen Jahres auch seinen Namen, wenn er Leihgaben zur Verfügung stellte.

Nachdem sein Vater Heinrich Dräger ihn ins schwäbische Schwenningen geschickt hatte, wo er nach drei Jahre die dortige Feinmechanikschule als Geselle verließ, besucht Dräger anschließen die Oberprima des dortigen Gymnasiums.

... Als der promovierte Betriebswirt dann in die Leitung des väterlichen Unternehmens einstieg, war es eigentlich schon um ihn geschehen: Sein Onkel Wolf Stubbe, Leiter des Hamburger Kupferstichkabinetts, vermittelte ihm die Liebe zu den Handzeichnungen des neunzehnten Jahrshunderts und auch schon erste Blätter. Seither erwarb Dräger insgesamt vierhundert Bilder der Goethezeit und der Romantik. Seine Sammlung gilt als die größte und qualitätsvollste zu jener Epoche.

... Die Öffentlichkeit lässt er nicht nur durch Ausstellungen, deren Kataloge er mitgestaltet, an seiner Leidenschaft teilhaben, sondern auch durch Schenkungen und Dauerleihgaben, so dass nur noch gut ein Viertel der Blätter in seinem Besitz ist.

Seine künstlerische Interessen reichen noch weiter: Dem Lübecker Behnhaus überließ er nicht nur viele Zeichnungen; sondern schenkte ihm auch eine Sammlung mit Biedermeiertassen. Dem Hamburger Barlach-Haus, in dessen Vorstand Dräger sitzt, stiftete er eine Barlachfigur. Mit einer Stiftung unterstützt er die Fortbildung von Jungmanagern sowie soziale und kulturelle Projekte in Lübeck. Seine freundliche Zurückhaltung lässt Beschenkte und Unterstützte dankbar, aber nicht devot zurück.

Text: Martin Thoemmes
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ausgabe vom 26.02.07