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Schulleitung. Gestern-Heute-Morgen

Hr. Held:Es kommt selten vor, dass man den ehemaligen (noch amtierenden) Schulleiter und den zukünftig gleichzeitig über die Schule befragen kann. Deshalb will ich diese Gelegenheit beim Schopf packen und möchte meine Fragen an Sie loswerden.

Frau Conradt, vorgestern hatten Sie ein großes Jubiläum: 40 Jahre Feintechnikschule. Gab es auch ein Leben vor der FTS und wie sind Sie denn eigentlich nach Schwenningen gekommen. 

 

Fr. Conradt-Mach: Wie in der Zwischenzeit jeder weiß, wurde ich vor 66 Jahren in Stuttgart geboren. Dort ging ich zur Schule bis zum Abitur.

Ich habe studiert, geheiratet.

Und wurde 1973 von Freiburg nach Schwenningen versetzt, weil das die einzige schwäbische Ecke im Regierungsbezirk war.

Ich glaube, ich war vorher nie in Schwenningen.

Alle waren damals der Meinung, das sei ganz toll, weil durch die gerade umgesetzte Städtefusion dort jetzt viele neue Entwicklungen angestoßen würden.

Leider wurde aus vielen Träumen wegen der Strukturkrise in der Uhrenindustrie und in der Unterhaltungselektronik nichts.

 

Hr. Held: Wie war die Schule als Sie vor 40 Jahren gekommen sind.

 

Fr. Conradt-Mach: Damals 1973 gab es an der FTS die Berufsfachschule mit 136 Schülern, eine Meisterschule mit 32 Schülern, die Technikerschule mit 108 Schülern und das Technische Gymnasium mit 136 Schülern. Die Schule hatte also 412 Schüler und 33 Lehrer.

Zu den Gebäuden zählte die ehemalige Becksche Uhrenfabrik.

 

Hr.Held: Was hat sich denn in der Zeit ´73 bis ´93 Wesentliches an der Schule geändert

 

Fr. Conradt-Mach:Eigentlich wenig.

1973 galt bei der Schulleitung eher die Ansicht, „nur nix Neues, bleiben wir hübsch beim Alten“. So haben wir, glaube ich, erst als eine der letzten Schulen die Oberstufenreform am TG und das Kurssystem eingeführt. Eine Ausnahme bildeten die Informationselektroniker, hier preschten Werner Hengstler und Dieter Münch voran mit dem „Dozent 2000“.

Sie führten die Technikerarbeit gegen alle Widerstände ein und es kam zu vielen Konflikten mit der Schulaufsichtsbehörde. In Sachen moderner Technik war die Technikerschule auch damals schon der Leuchtturm der technischen Bildung in Schwenningen und hatte einen sehr guten Ruf.

Das Motto der Festschrift „Innovation als Tradition“ traf für die FTS wirklich zu.

Ich kann mich noch erinnern, dass wir zwangsweise – auch die Sprachlehrer- Computerkurse an der Schule erhielten. Die Speicher dieser Computer waren sehr gering, ich glaube 3 MB. Der Gebrauch des Computers war damals richtig schwierig.

Als mein Mann und ich uns 1990 einen Computer mit einer 100 MB- Festplatte zulegten, bin ich in der Achtung meiner Kollegen und Schüler sehr gestiegen.

Ansonsten wurden an der FTS die sog. Sekundärtugenden gepflegt gegen alle jugendrevolutionären Bestrebungen der 70er und 80 er Jahre. Es galt, Techniker sind unpolitisch. Herr Hengstler versuchte mit Macht alle Anzeichen der Studentenbewegung im Keim zu ersticken.

 

Hr. Held: Thomas, Du bist seit 1993 an der Schule, wie hast Du Frau Conradt denn kennengelernt? 

 

Hr. Ettwein: Schon bevor ich 1993 Lehrer an der Feintechnikschule wurde, habe ich Frau Dr. Conradt-Mach bereits kennen gelernt. Ich selber war nämlich 1979 auf unserem Technischen Gymnasium Schüler und sie war damals meine Deutsch- und Kunst-Lehrerin. Sie hat uns z. B. in Deutsch auf einem Dual-Kofferplattenspieler eine Schallplatte, ich weiß gar nicht, ob das die Anwesenden jungen Leute noch kennen, Goethes Faust vorgespielt und wir haben dazu die Lektüre gelesen. Eine bleibende Erinnerung. Bei Ihr habe ich auch 82 mein mündliches Abitur gemacht. Franz Kafka war das Thema.

 

Hr. Held: Was hatte Dich bewogen, an die Schule zu gehen?

 

Hr. Ettwein: Nach meinem Abschluss als Dipl.-Ing. in Elektrotechnik an der Uni Karlsruhe habe ich einige Jahre in der heimischen Industrie als Entwicklungsingenieur in der Lasermesstechnik gearbeitet. Als ich meinen Arbeitsplatz wegen Umstrukturierungsmaßnahmen nach Frankreich wechseln sollte, habe ich mich nach Alternativen umgeschaut und in der Zeitung von der Möglichkeit des Direkteinstiegs als Lehrer gelesen. Da ich schon während meines Studiums mit dem Gedanken eines parallelen Gewerbelehrer-Studiums geliebäugelt habe und auch gute Erinnerungen an meine Schule hatte, war das nun die Gelegenheit für mich an der Feintechnikschule einzusteigen.

 

Hr. Held: Was hat sich denn in der Zeit von ´93 bis ´13 Wesentliches an der Schule verändert?

 

Hr. Ettwein: Ich bin 1993 als junger Elektroingenieur mit Berufserfahrung mit den Fächern Informations- und Nachrichtentechnik in den Schuldienst eingestiegen.

Gleichzeitig hat der Einzug der Computer und damit die Einführung von Verwaltungssoftware begonnen. Heute fast unvorstellbar, aber damals hatten wir nur einen Computerraum mit 16 PCs und heute über 360. 2001 haben Frau Conradt, noch als stellvertretende Schulleiterin und ich erstmals ein Stundenplanprogramm eingeführt. Die Vertretungspläne mussten früher kopiert und in vier Gebäuden ausgehängt werden, heute genügt ein Knopfdruck und er wird in allen Infoterminals angezeigt. Wir haben heute auch deutlich mehr Schüler. Die Schülerzahl ist von ca. 360 auf heute über 600 angestiegen. Das liegt aber auch daran, dass wir neue Schularten dazugewonnen haben, wie z. B. das Berufskolleg. Dadurch wurde aber auch ein Neubau notwendig den wir 2008 eingeweiht haben. Mit der Investition von über 5 Mio. € in die Gebäude hat sich die Sicherheit und die Raumqualität für Schüler und Lehrer deutlich verbessert. In einer schönen Schule lässt es sich besser lehren und lernen. Und was die Qualität anbelangt, sind wir seit 2010 ISO 9001 zertifiziert und haben vor zwei Tagen gerade das neue Reaudit erfolgreich hinter uns gebracht.

 

Hr. Held: Frau Conradt, was war Ihnen als Schulleiterin in den letzten 11 Jahren denn besonders wichtig?

 

Fr. Conradt-Mach: Mir sind Menschen wichtig. Ich habe es zumindest versucht, allen Lehrern und Schülern mit Respekt zu begegnen. Die gegenseitige Achtung ist mir wirklich wichtig.

Es war mir wichtig gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen, aber auch durch  Vorschläge der Schüler und Schülerinnen, diese Schule weiterzubringen.

Qualitätsentwicklung ist ein Stichwort, das heißt für mich nicht vorrangig öde Dokumentationen, sondern das heißt, welche Ziele haben wir, wo wollen wir hin, und wie stellen wir es an, dass es nicht nur bei den Absichtserklärungen bleibt, sondern dass wir auch das erreichen, was wir wollen.

Sie dürfen mir glauben, es ist wirklich spannend, Verfahren zu entwickeln, wie die Organisation Schule bewegt werden kann.

Ganz wichtig ist auch, wie stellen wir es an, dass alle guten Ideen – kommen sie nun von Lehrern, Eltern, Schülern oder Betrieben in unsere Weiterentwicklung einbezogen werden.

Wirklich spannend war für mich, dass ich in den Schulleiterinnenjahren mich mit der technischen Entwicklung der Region auseinandersetzen durfte.  

 

Hr. Held: Thomas, welche Vorstellungen hast Du denn als zukünftiger Schulleiter, was sind Deine Ziele?

 

Hr. Ettwein: Die Feintechnikschule mit Technischem Gymnasium hat sicherlich einen ausgezeichneten Ruf und ist was die Qualität angeht Dank Frau Conradt auf hohem Niveau. Die Herausforderung wird aber sein, zukünftig die Ausbildung von jungen Menschen an den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und demografischen Wandel trotz knapper werdender Ressourcen anzupassen.

Nur eine moderne und attraktive Schule kann auf Dauer bestehen. Darum ist es mein Ziel die Schüler in der Regelzeit gut auszubilden, mit der Industrie und den Hochschulen durch Projekte in Kontakt zu bringen und so Perspektiven und Übergänge in eine erfolgreiche Berufswelt zu ermöglichen.

 

Hr. Held: Und was wären Deine Visionen und Wünsche für unsere Schule in der Zukunft

 

Hr. Ettwein: Ich wünsche mir, dass es uns gelingt die Schüler, Eltern und Wirtschaft noch mehr in die Ausbildung mit einzubinden. Wir haben schon sehr gute Erfahrungen mit Verbesserungsvorschlägen gemacht, so haben wir z. B. von Schülern schon einige gute Ideen umgesetzt, das kann noch weiter ausgebaut werden. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir mehr Ressourcen bekommen, um unsere Schüler noch besser und individueller zu betreuen und zu fördern. Ich hoffe das gelingt uns.

 

Hr. Held: Frau Conradt, können Sie uns eine Anekdote zum Besten geben, was Ihnen denn lustiges mit Schülern in Ihrer Zeit passiert ist?

 

Fr. Conradt-Mach: -1978 oder 79 habe ich mal beim Ausparken auf dem Parkplatz einem Schüler das Auto beschädigt. Die Klasse fand das natürlich riesig komisch. Der Schüler hat es auch mit Humor genommen, daraus ist dann eine bis jetzt andauernde Freundschaft entstanden. 

- Nachdem die ersten Fernseher mit Fernbedienung auftauchten,  gab es solch ein Gerät auch an der FTS. Beim Einsatz im Unterricht versagte das Gerät immer wieder, was sehr unterrichtsstörend war. Ich habe dann mal auf das Gerät geklopft, danach ging es wieder an, um nach kurzer Zeit wieder auszugehen. Nach mehreren erfolgreichen Einschaltversuchen durch Klopfen, haben mich dann die Schüler über die Funktionsweise einer Fernbedienung aufgeklärt. Gott sei Dank verstehe ich Spaß und habe über meine eigene Unfähigkeit herzlich gelacht.

 

Hr. Held: Und gibt es eine Geschichte, was Ihnen mit den Lehrerkollegen passiert ist?

 

Fr. Conradt-Mach: -Äußerst unangenehm war es, als Schüler während meines Kunstunterrichts das teure Fahrrad eines Kollegen auf das Vordach über dem Treppenaufgang zum Beckschen Bau stellten. Der Kollege wurde furchtbar wütend, natürlich auch auf mich, weil ich ja die Aufsichtspflicht hatte. Für meine Schüler war dies hingegen ein ergötzliches Schauspiel eine verzweifelte Lehrerin, ein wütender Lehrer und ein Fahrrad auf dem Dach.

Glücklicherweise hatte dann ein Schüler Mitleid mit mir und sorgte dafür, dass das Fahrrad wieder auf den Boden kam.

Eine andere eher komische Geschichte ist, dass ein Kollege Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts mir erklärte: „Du des isch a Männerschul, da werdet Frauen nix, halt Dich zrück.“

Der Kollege hat sich, wie wir alle wissen, in der Innovationsfähigkeit der Feintechnikschule sehr getäuscht. 

 

Hr. Held:  Thomas, was ist Dir denn mit Schülern und Kollegen passiert?

 

Hr. Ettwein: Als ich selber noch Schüler des TGs war, sind wir mit unserem Französisch-Kurs ins Elsaß gefahren. Ein tolle Unterkunft mit wirklich gutem französischem Essen. Zu vorgerückter Stunde kamen einige auf die Idee, die Türen unserer Zimmer auszuhängen und zu verstecken. Als unsere Klassenkameraden dann in ihr Zimmer wollten fanden Sie zwar irgendwann die Türen, aber sie wurden vertauscht und keine passte mehr ins Scharnier. So mussten einige ohne Tür übernachten.

Es war übrigens das letzte Mal, das die Schule dort aufgenommen wurde, wie ich 15 Jahre später durch einen Lehrerkollegen erfahren habe.