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Zwischen Wort und Wort

Denis Eker

Es ist eine Spezialität, die es in keinem anderen Bundesland gibt: Die gut 150 000 baden-württembergischen Oberstufenschüler können seit 28 Jahren an einem Landeswettbewerb teilnehmen, der ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Interesse an sprachlichen und literarischen Themen kreativ zu entfalten. Der Wettbewerb 2018 bot sieben Aufgaben, die wie immer nicht nur die Schülerinnen und Schüler zu intensiver Beschäftigung herausforderten, sondern auch ihre Deutschlehrerinnen und -lehrer einluden, sie für den Unterricht fruchtbar zu machen. Unter den Aufgaben waren so innovative wie: „Gebunden – Gestalten Sie eine Situation“, „Die Welt in Kürze – Wie Kurznachrichten unsere Ansichten formen“, „Siegfried, Iwein, Tristan – Vorläufer heutiger Helden?“ Die Herausforderung nahm etwa jeder 150. Schüler an, und von diesem tapferen knappen Tausend konnten 20 die Jury so sehr überzeugen, dass sie zu einem viertägigen Preisträgerseminar im Kloster Schöntal eingeladen wurden.

Einer von den Landessiegern war Deniz Eker aus Schwenningen, der die Feintechnikschule besucht und dort in einem Jahr Abitur mit dem Profil Gestaltungs- und Medientechnik machen will. Seine Fahrkarte zum Seminar verdiente er sich durch die Bearbeitung des Themas „Eckensteher, Randfiguren. Kleine Rollen in Literatur und Film“. Er berichtet von seinen Erlebnissen.

Der Austragungsort gilt als beliebter Schauplatz für Seminar­veranstaltungen im geisteswissenschaftlichen Bereich. Hier residierte man für vier Tage und drei Nächte in klostertypisch großen Räumen. Die Architektur lässt einen unwillkürlich tiefer ein- und ausatmen… Bestens betreut wurden die Schüler durch die temperamentvolle Vorsitzende des Kuratoriums Dr. Juliane Horn, durch Vanessa Greiff, Mitglied des Kuratoriums am Deutschen Literaturarchiv in Marbach zuständig für die Kontakte zu den Schulen, und durch die Jurorinnen und Juroren Dr. Melanie Hong, Luisa Luem, Tobias Körner und Dr. Wolfgang Spreckelsen. Die Programmpunkte zeichneten sich, wie auch schon die sieben Themen, durch ihre Vielfalt aus. 

Das - wie die sieben Themen - sich durch seine Vielfalt auszeichnende Programm wurde am Dienstag durch einen Stimm- Sprechperformance Workshop mit der Sprecherin und Sprecherzieherin Lilian Wilfart eingeleitet. Man lernte sich durch mehrere Bewegungs- und Sprechübungen näher kennen. Anschließend wurden anhand von Texten von Horst Evers neue Präsentationstechniken geübt. Vor den Juroren durften die Preisträger dann die neu erlernten Techniken direkt in die Praxis umsetzen, indem sie in Kleingruppen die einstudierten Texte präsentierten. Die satirisch-politische Botschaft der kurzen Poesien wurde attraktiver, schärfer, jugendlicher als man beim Lesen gedacht hatte.

Am Mittwoch durften die Preisträger ihrer Kreativität freien Lauf lassen und erschufen literarische Figuren. Später durften diese Figuren dann in einem Speeddating miteinander reden und sich gegenseitig kennenlernen. Spannend waren bei dieser Übung die unterschiedlichen Herangehensweisen. Der brav Studierende traf auf den mysteriösen Jungen aus dem Phantasiewald. Viele nutzten persönliche Erfahrungen und Emotionen bei der Erstellung ihrer Charaktere. Dies führte dazu, dass das Speeddating nicht nur als Möglichkeit zum Kennenlernen für die Charaktere, sondern auch für die Schüler selbst diente.

Der Folgetag bot ein Schreib- und Übersetzungsseminar mit der Autorin Julia Schoch. Hier durften die Schüler erstmals auch ihre Fremdsprachkenntnisse demonstrieren. Die Aufgabe war die Übersetzung von französischen Sprichwörtern.

Beim literaturwissenschaftlichen Seminar am selben Tag mit Dr. Wolfgang Spreckelsen diskutierten die Schüler gemeinsam mit den Juroren über die Bedeutung von Lyrik und erhielten so einen kleinen Einblick in Themenbereiche, welche sonst erst in einem geisteswissenschaftlichen Studium eine Rolle spielen. Engagiert diskutiert wurde etwa über die Frage, inwieweit die Grundlagen der Fachdidaktik einem bei der Interpretation dieses Gedichtes von Hilde Domin helfen: „Lyrik // das Nichtwort / ausgespannt / zwischen / Wort und Wort.“

Neben den vielen gemeinsamen Programmpunkten konnten die Schüler einzeln oder in Gruppen mit den Juroren reden und so mehr über das Bewertungssystem als auch über Lyrik im Allgemeinen und potenzielle Studiums- und Berufsmöglichkeiten erfahren.

Am Freitag fand dann die feierliche Preisverleihung im Festsaal des Klosters statt. Anwesend waren dort natürlich die 16 Preisträgerinnen und drei Preisträger (einer war verhindert), mehrere Jurorinnen und Juroren, aber auch Pressevertreter, Familienangehörige und die Deutschlehrer der Schüler, so auch mein Deutschlehrer Clemens Kleijn.

Nach der Übergabe der Urkunden und einer stattlichen Anzahl von Büchern und den Mitgliedschaften in der Schillergesellschaft folgte der Abschied. Nach den vier abwechslungsreichen Tagen war ein sehr enges und positives Verhältnis zwischen den Preisträgern und den Juroren entstanden, welches wahrscheinlich noch lange halten wird.

Text: Deniz Eker, Schüler Klasse TG1G

24.07.18